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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 09.09.2003
Aktenzeichen: 2 M 311/03
Rechtsgebiete: LSA-KAG, VwGO, GG


Vorschriften:

LSA-KAG § 13a I 1
LSA-KAG § 13a II
VwGO § 80 V
VwGO § 123 I
VwGO § 123 V
GG Art. 19 IV
1. Begehrt der Beitragspflichtige eine Stundung, so kann er diesen Gesichtspunkt nicht über eine Anfechtung des Beitragsbescheids und damit im vorläufigen Rechtsschutz über § 80 Abs. 5 VwGO geltend machen, sondern ist auf den Weg des § 123 Abs. 1 VwGO verwiesen.

2. Eine Stundung kann regelmäßig nicht im Weg einer einstweiligen Anordnung erlangt werden, weil dadurch die Hauptsache vorweg genommen würde. Ausnahmen sind nur mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG denkbar.

3. § 13a KAG LSA enthält zwei Stundungsmöglichkeiten, deren Voraussetzungen sich gegenseitig ausschließen.

§ 13a Abs. 2 KAG LSA muss wegen des verfassungsrechtlich verankerten Beitragserhebungsrechts der Gemeinden dahin ausgelegt werden, dass durch diese Vorschrift nicht nur die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 KAG LSA ausgeschlossen werden, sondern auch dessen Rechtsfolgen.

4. Der Beitragspflichtige muss sich deshalb mit seinem Antrag für eine der Alternativen des § 13a KAG LSA entscheiden und kann nicht von der einen auf die andere "umsteigen".


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 311/03

Datum: 09.09.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 13 Abs. 2; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) <Streitwert>.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die mit der Beschwerdeschrift gegen die erstinstanzliche Entscheidung geltend gemachten Einwände führen zu keiner Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Nach Auffassung des Senats begehrt der Antragsteller in der Hauptsache Stundung der Straßenausbaubeiträge mit einer monatlichen Ratenzahlung von 20,- €. Zusätzlich hat er mit dem hier strittigen Verfahren um die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes nachgesucht.

Mit Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der ursprünglich vom Antragsteller gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht kommt, da eine Billigkeitsmaßnahme, die als begünstigender Verwaltungsakt im Hauptsachverfahren nur mit einer Verpflichtungsklage zu erreichen ist und ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes demnach lediglich auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet sein kann (§ 123 Abs. 5 VwGO).

Einen Anspruch auf Stundung der Straßenausbaubeiträge mit einer monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 20,- € aus § 13a Abs. 1 S. 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.1996 (LSA GVBl., S.405), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes und des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 15.08.2000 (LSA GVBl., S. 526) - KAG LSA - kann der Antragsteller nicht im Wege von § 123 VwGO durchsetzen.

In einem solchen Verfahren darf die Hauptsache nicht vorweg genommen sein, d. h. der Erlass der einstweiligen Anordnung darf einer vorläufigen Verurteilung in der Hauptsache nicht gleichkommen. Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Durch die einstweilige Anordnung sind also entsprechend ihrem Zweck grundsätzlich nur Maßnahmen zur vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses zulässig.

Würde dem Antragsteller die begehrte Stundung der Straßenausbaubeiträge mit einer monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 20,- € schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gewährt, würde er bereits das erlangen, was ihm erst beim erfolgreichen Obsiegen in dem Hauptsacheverfahren, die Gewährung der Stundung, wie beantragt, zustehen würde.

Zwar kann es aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs. 4 GG) ausnahmsweise geboten sein, durch einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache vorwegzunehmen. Das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes kann es nämlich gebieten, dass gerichtlicher Rechtschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich die Maßnahme bei gerichtlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Daher ist trotz Vorwegnahme der Hauptsache einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn anders dem Antragsteller ein erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen.

Zudem müssen überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Diese Voraussetzungen für die Annahme einer Ausnahme liegen hier ersichtlich nicht vor.

Einen Anspruch auf eine Stundung der Straßenausbaubeiträge mit der gewünschten Ratenzahlung nach § 13a Abs. 1 KAG LSA kann der Antragsteller daher erst im Hauptsacheverfahren erstreiten.

Auch der Einwand, die Antragsgegnerin habe im Hinblick auf § 13a Abs. 2 KAG LSA, wonach Straßenausbaubeiträge, ohne dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen, für die ersten fünf Jahre nach Entstehen der Beitragsschuld zinslos gestundet werden können, von ihrem Ermessen fehlerhaft keinen Gebrauch gemacht, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Mit Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin sich mit einem Stundungsantrag nach § 13a Abs. 2 KAG LSA nicht befassen musste; denn der Antragsteller hat einen derartigen Stundungsantrag bei der Antragsgegnerin gar nicht gestellt.

Eine Stundung nach § 13a Abs. 2 KAG LSA setzt aber einen ausdrücklichen und bestimmten Antrag gerade auf diese Billigkeitsmaßnahme voraus.

Dies ergibt sich aus folgendem:

Bei § 13a Abs. 2 KAG LSA handelt es sich nicht etwa um eine voraussetzungslose Stundung, die jedermann und jederzeit gewährt werden kann (so wohl Kirchmer, in: Kirchmer/Schmidt/Haack, Kommunalabgabengesetz für das Land Sachsen-Anhalt 2. Aufl. § 13a Anm. 1.1.2, der daher die Empfehlung gibt, "von dieser (Kann-)Regelung besser keinen Gebrauch zu machen").

§ 13a Abs. 2 KAG LSA kann in einer das verfassungsrechtlich verankerte Beitragserhebungsrecht der Gemeinden (vgl. hierzu: Urt. des Senats v. 17.10.2002 - 2 L 119/01 - sowie das Urteil des Landesverfassungsgerichts v. 15.01.2002 - LVG 3,5/01 -) berücksichtigenden verfassungskonformen Auslegung zumindest nur so ausgelegt werden, dass durch § 13a Abs. 2 KAG-LSA nicht nur die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 KAG LSA, sondern auch dessen Rechtsfolgen ausgeschlossen sind.

Dies hat zur Folge, dass nach der fünfjährigen zinslosen Stundung der Beitrag in voller Höhe und sogleich fällig wird und "Stufenbilligkeitsmaßnahmen" (zunächst § 13a Abs. 2 und dann anschließend eine Stundung mit Ratenzahlung nach § 13a Abs. 1 S. 1 KAG LSA ) oder ein "Umsteigen" oder ein zeitlich nachfolgender Anspruch nach § 13a Abs. 1 KAG-LSA, jedenfalls bei unveränderter Sachlage, nicht möglich sind.

Die zinslose Stundung soll offenbar eine Ansparphase, ggfs. durch eine Bauspar- oder ähnlich Kreditvereinbarungen, ermöglichen, der nach fünfjähriger Aussetzung die vollständige Befriedigung der Beitragsforderung folgen soll.

Der Abgabenschuldner muss sich daher durch Antrag entscheiden, ob er eine Billigkeitsmaßnahme nach § 13a Abs. 1 S. 1 oder nach § 13a Abs. 2 KAG LSA begehrt.

Ende der Entscheidung

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